Zunächst einmal muss festgestellt werden: Wir wohnen in Kapariana. In Kapariana, diesem der Kleinstadt Mires vorgelagerten Ort. Kapariana. Das ist klar und unbestreitbar.
Wo wir allerdings in Kapariana genau wohnen, das ist nicht so klar. Unser Haus steht an einer Straße, die in den größeren Nachbarort führt, und auf Google Maps ist zu lesen, dass unsere Straße sozusagen nach diesem Nachbarort benannt ist. Als Straße also, die eben zu jenem größeren Nachbarort führt. Auf unserem Mietvertrag steht ein anderer Name. Das ist auch nachvollziehbar. Die Straße führt nicht ja nicht nur in diesen größeren Nachbarort, sondern auch darüber hinaus in den davorliegenden kleineren Nachbarort, und eben unter diesem ist unsere Straße auch bekannt, im Ergebnis bleibt es doch unzweifelhaft dieselbe Straße, führt sie doch nacheinander in beide Orte.
Straßenschilder gibt es nicht, weil es eben offizielle Straßennamen in Kapariana auch nicht gibt.
Es gibt auch keine Hausnummern.
Falls jemand uns schon mal eine Postkarte geschickt haben sollte: Sie ist nicht angekommen. Tut uns Leid. Wir sind offenbar unter keiner der beiden möglichen Straßenbezeichnungen zu erreichen. Keine Post hier bisher für uns. Da dieser Zustand jedoch für uns nicht dauerhaft akzeptabel ist, haben wir uns um einen Anschluss an das griechische Postnetz selbstständig bemüht. Freunde und Bekannte in der Gegend konnten nicht wirklich helfen, also haben wir uns in die Postagentur in Mires begeben. Die liegt zentral an der Hauptstraße und ist leicht zu finden, weil zumeist Autos in dritter Reihe davor halten. Ein Besuch ist ein praktischer Intensivkurs in der griechischen Sprache, denn englisch spricht man hier nicht. Eine freundliche Kundin hilft uns jedoch immer dann, wenn die Griechisch-Kenntnisse noch nicht ausreichen, und das ist ab und zu schon gar dann der Fall, wenn postalisches Fachvokabular gefragt ist. Es geht ja nun um die Grundfrage, wie uns Post erreicht. Der Hinweis, dass wir dafür zunächst einmal die Absender über die Adresse informieren müssen, ist nett gemeint, aber über dieses Stadium sind wir schon hinweg. Wie kommt denn die Post dann auch, sozusagen „physisch“, zu uns? Den Kauf eines Briefkastens für unser Haus hält die Postmitarbeiterin für eine gute Idee. Wir sehen das ein. Mit Madeleines Griechisch-Kenntnissen gelingt es uns, ein Geschäft mit einem entsprechenden Angebot zu finden und einen schicken Briefkasten aus deutscher Produktion zu erstehen. Nun muss noch die Frage geklärt werden, wie denn dieser Briefkasten gefüllt werden wird. Wir beschriften ihn mit unseren Namen auf deutsch und griechisch, machen ein Foto davon und bringen das Foto zur Postagentur. Das Foto wird als hilfreich angenommen und persönlich mit weiterreichenden Informationen beschriftet, aber dann erklärt man uns, dass es für unser Haus (also für unsere Vermieter und uns und etwaige weitere Bewohner) eine „Post Box“ gibt, genau eine, die sich neben vielen anderen an der Hauptstraße nach Mires befindet: Für die sollen wir einen Schlüssel bekommen.
Der Makler Nikos, um Rat gefragt, erklärt uns, dass er so eine Post Box sogar extra gekauft hat. Post hat er noch nie in diese Post Box erhalten: Der Postbote kennt ihn und bringt ihm die Post sowieso in sein Büro. Das erscheint uns auch als zuverlässigerer Weg: Wir müssen unseren Postboten einfach mal kennen lernen, uns vorstellen, und vielleicht bekommen wir die Post dann auch doch nach Hause gebracht. Wir haben den Postboten bislang noch nicht getroffen, aber das wird schon noch werden.
Um Post überhaupt zu erhalten, hilft es gelegentlich, Post erst einmal auch zu verschicken, das wissen wir. Dazu braucht es Briefmarken. Wir sind bislang davon ausgegangen, dass der Verkauf von Briefmarken zum Kerngeschäft einer Postagentur gehört. In der Postagentur von Mires gewinnt man nicht unbedingt diesen Eindruck. Madeleine, mit zwei unfrankierten Briefen in einer Schlange wartend, wird nach vorne gerufen, wenn sie nur diese beiden Briefe abgeben will. Das will sie. Aber nun zusätzlich Briefmarken kaufen. Dafür wird sie an einen anderen Schalter geschickt. Auf griechisch kann Madeleine deutlich machen, dass es um Briefmarken für den schnelleren Versand nach Mitteleuropa geht. Der Beamte reißt Briefmarken von einem Bogen ab. Bevor der Verkaufsvorgang abgeschlossen werden kann,
muss Madeleine warten. Da kommt noch Stavros, Postmitarbeiter, vorbei und Stavros müssen zunächst noch wichtige Fragen beantwortet werden. Dann ist da noch ein Sack mit der Aufschrift „Hellenic Post“, den will der Beamte auch noch gründlich zubinden. Die Sache
mit der Quittung verzögert sich, weil es einen Stromausfall gibt. Als der Strom wieder da ist, muss zunächst die Klimaanlage wieder richtig eingestellt werden. Dann, tatsächlich: Briefmarken, bezahlt, Bezahlung quittiert, Briefmarken erhalten. - Madeleine beschließt, den Kauf von Briefmarken mit einem anderen Wert auf einen anderen Tagen zu verlegen.
Wir können also nun Briefe versenden, nach Mitteleuropa, „prioritaire“, bis 20 Gramm. Wer auf Post von uns wartet, soll schon erfahren, dass die Briefmarken nicht wirklich originell sind, besonders schön sind sie auch nicht, aber wir werden uns das nächste Mal auch um eindrucksvollere Marken bemühen.
Nachtrag (31. Juli)
Gestern haben wir Post erhalten. Unsere Vermieterin hat uns Briefe aus der Postbox mitgebracht. Heute sollen wir auch einen eigenen Schlüssel bekommen. Uns haben jetzt noch Briefe erreicht, die schon vor einem Monat abgeschickt wurden – und auch solche, auf denen nur unsere Adresse, nicht aber die Nummer der Post Box angegeben war! Das beweist: Die Post in Mires kennt uns und weiss, wo wir wohnen. Das beruhigt.
Nachtrag (31. August)
Heute hat uns die Versicherungsgesellschaft, bei der wir eine Krankenversicherung abgeschlossen haben, die Police geschickt. Die Adressangabe ist besonders hübsch:
Das heißt ungefähr übersetzt: Wir wohnen in der "Es-gibt-keine-Straße-Straße, 0".
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