Wie bereits in einem anderen Blogbeitrag beschrieben, wird hier auf Kreta der Wert von Verkehrsschildern mehr in ihrem hinweisenden Charakter gesehen, weniger in ihrem vorschreibenden. Das gilt auch und insbesondere für solche Verkehrsschilder, die in Deutschland oder der Schweiz einen klaren Verbotscharakter haben: Vorschriften mit einer nicht auslegungsfähigen Aussage werden hier eher nicht so gerne gesehen und tendenziell aufgrund ihrer quasi wesenseigenen Nichteignung für ergiebige Diskussionen skeptisch betrachtet. Das ist möglicherweise auch der Grund, warum es hier in Kapariana, wie ebenfalls schon in einem anderen Blogbeitrag beschrieben, keine Verkehrsampel gibt. Es gibt sie auch nicht in Mires, ich weiß eigentlich von keiner Ampel im Süden von Kreta, in Heraklion wird es schon Ampeln geben, aber selbst, was Heraklion betrifft, müsste ich eine Weile nachdenken, um sagen zu können, wo sie eigentlich stehen.
Ampelmäßig muss man grundsätzlich feststellen: Da ist ein Rot ein Rot, ein Grün ein Grün, das ist bemitleidenswert eindeutig, bietet keinen Auslegungsspielraum, keine wirkliche Toleranz, ein Rot wird auch nicht ein bisschen hellrot, wenn es jemand eilig hat – und, jawohl, eigentlich ist so eine Ampel ziemlich unhöflich. Dabei ist es so, dass die Missachtung einer roten Ampel, wenn es sie denn gäbe, hier hart betraft würde von der griechischen Polizei, da sind Strafen in Höhe eines durchschnittlichen griechischen Monatsgehaltes fällig, lesen wir, schon von daher wollen wir auch keine Ampeln in Kapariana.
Nun gibt es aber doch eine Ampel in Kapariana. Sie steht natürlich nicht an einer Straße oder vor einer Kreuzung und sie regelt auch nicht den Autoverkehr in Mires.
Diese Ampel ist über dem Eingang von LIDL Kapariana angebracht.
In Deutschland ist dieses Ampelsystem bei LIDL und ALDI offenbar schon erprobt worden, lesen wir, jetzt wird es also auch bei uns eingesetzt. In Griechenland. Auf Kreta. In Kapariana.
Bis vor kurzem hat noch ein freundlicher Sicherheitsbeamter vor dem Eingang von LIDL mit einem Zählgerät in der Hand dafür Sorge getragen, dass in diesen virenverseuchten Zeiten nicht zu viele Kundinnen und Kunden auf einmal bei LIDL einkaufen gehen. Manchmal musste man auf Geheiß des Sicherheitsbeamten ein bisschen warten, bis wieder ein paar Leute mehr LIDL verlassen hatten, dann durfte man zum Einkaufen in das Gebäude hinein. Dann war plötzlich der Sicherheitsbeamte, nein, nicht verschwunden, er stand noch vor dem Eingang, aber macht alle LIDL-Ankömmlinge darauf aufmerksam: Über der Tür ist jetzt eine Ampel angebracht und diese Ampel regelt den Kundeneinlass bei LIDL. Zeigt die Ampel Rot, dann darf man den Laden nicht betreten, Gelb kann sie nicht anzeigen. Zeigt die Ampel Grün, dann kann man den Laden betreten. Das erklärte uns der Sicherheitsbeamte, und diese Erklärung war auch notwendig: Denn weil man die Ampel über der Tür nicht so gut sieht (wer sieht schon nach oben beim Betreten eines Supermarktes!) und sie ja auch nicht wirklich hier erwartet, muss auf sie hingewiesen werden. Noch schlimmer, weil bei roter Ampel die Schiebetür, die sich ansonsten bei Annäherung von alleine öffnet, das jetzt nicht mehr tut, wenn die Ampel Rot zeigt, besteht Unfallgefahr: Man hat sich an die automatische Öffnung der Tür ja gewöhnt, ihr vertraut, und dieses Vertrauen wird nun erschüttert, wenn sie sich nicht mehr automatisch öffnet – aber immerhin wurde man vorgewarnt, indem man auf die rote Ampel hingewiesen wurde.
Nach der Aufhängung der Ampel hat es vor LIDL einen Stau gegeben. Nicht wegen der roten Ampel, sondern wegen der Ampel an sich. Wir sind hier Neuerungen gegenüber ja grundsätzlich aufgeschlossen, also haben wir uns die Sache ansehen wollen, und auch vor LIDL gewartet, wenn die Ampel Grün gezeigt hat, und dann bei Rot ausprobiert: Tatsächlich geht die Schiebetür nicht auf, wenn die Ampel Rot zeigt. Aber jetzt haben wir uns daran gewöhnt, und nun gibt es, ganz wie sich das gehört, ab und zu einen Stau bei roter Ampel. Wir stehen dann alle mit unseren Einkaufswagen hintereinander und erwarten die nächste grüne Ampelschaltung und die Türöffnung. Manchmal werden Familien zerrissen, wenn eine Familienhälfte in den Laden darf und die andere durch einen abrupten Wechsel von Grün- auf Rotlicht daran gehindert wird und die Schiebetür zuschnappt. Dann muss die eine Familienhälfte im Laden und die andere Familienhälfte außerhalb des Ladens warten, bis die nächste Grünphase kommt und es eine Familienzusammenführung geben kann. Solange wird die draußen wartende Familienhälfte ein bisschen getröstet von den anderen Wartenden, und es gibt natürlich Stoff für Diskussionen und reichlich Anmerkungen in der Warteschlange.
Verwirrenderweise schaltet die Ampel nicht immer sofort von Rot auf Grün, wenn jemand aus dem Laden heraus kommt, also eigentlich doch wieder genug Platz im Laden sein müsste. Diese Ampelsystematik erschließt sich nicht so einfach. Wir befürchten ein bisschen einen Umsatzeinbruch bei LIDL Kapariana wegen dieser Ampel. Und längere Staus. Neulich war der Laden so gut wie leer. Die Ampel zeigte aber Rot. Ob hier die Ampelfarbe auch gemäß der Verfügbarkeit in Sonderangeboten geschaltet wird? Aufgrund der Pausenzeiten des Kassenpersonals? In Abhängigkeit von der Laufgeschwindigkeit der Kundschaft?
Irgendwann sind diese Corona-Zeiten ja vielleicht doch mal vorbei. Vielleicht braucht LIDL dann diese Ampel nicht mehr. Ja: Wir würden sie nehmen. Natürlich würde die in unserer „Kleinen Welt“ nichts regeln. Aber ich stelle sie mir hübsch vor bei uns, zum Beispiel zur Signalisation: Ob das Poolwasser 28 Grad erreicht hat. Tagsüber ein Ausflug angeboten wird. Regen zu erwarten ist. Ob alle Spazierwege freigegeben oder wegen Servicearbeiten oder Schneefall gesperrt sind. Wir werden da schon einen Verwendungszweck finden. Aber erst einmal ist die Ampel ja noch bei LIDL aufgehängt. Und sorgt nach wie vor für Diskussionsstoff.
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